Interview mit Prof. Dr. Sven Bienert, IREBS Universität Regensburg – Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sich auch in Deutschland immer stärker in den gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft niederschlägt. Die Immobilienwirtschaft hat dabei eine besondere Verantwortung: Der Gebäudesektor trägt rund 35 Prozent zum Endenergieverbrauch und rund 28 Prozent zu den CO2-Emissionen bei. Um die vorgegebenen Klimaschutz-Ziele auf Portfolioebene zu erreichen, entwickelt das Asset Management der HIH Invest strategische Maßnahmen mit dem Ziel, portfolioweit den CO2-Verbrauch zu reduzieren, die Energieeffizienz zu erhöhen und Ressourcen zu schonen.
Die HIH Invest steht in engem Austausch mit Branchenverbänden und Wissenschaftsinitiativen. Die Frage, die uns beschäftigt: Wie können Immobilienunternehmen branchenübergreifend und über die Landesgrenzen hinaus ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten? Dazu sprechen wir mit Professor Dr. Sven Bienert, Leiter Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft am IREBS Institut der Universität Regensburg, der aus wissenschaftlicher und praxisorientierter Sicht die Rolle der Immobilienwirtschaft im Kontext des sich vollziehenden klimatischen und gesellschaftlichen Wandels untersucht.
Herr Professor Bienert, ist sich die Immobilienbranche ihrer Verantwortung für den Klimaschutz bewusst?
Die Tage in denen „Greenwashing“ reichte, sind schlicht vorbei und auch der letzte institutionelle Marktteilnehmer hat sich auf den Weg gemacht. Klimarisiken, Regulierung und veränderte Marktnachfrage – der Druck, zu handeln, kommt nunmehr von allen Seiten. Speziell die gesetzlichen Vorgaben ausgehend von der EU Offenlegungs- und Taxonomie-Verordnung, aber auch die CO2-Bepreisung in Deutschland waren hier massive Treiber. Zudem erkennen wir in der Immobilienbranche jetzt eine weitere Kraft, die die Dekarbonisierungsbemühungen unterstützt: Banken und andere Finanzinstitutionen, die dem Markt Fremdkapital zur Verfügung stellen, verlangen zunehmend Klarheit über die finanzierten Emissionen – Auswirkungen auf die Kreditpreise und die Kreditvergabe sind bald zu erwarten. Es ist für Investoren nunmehr unerlässlich, eine klare Nachhaltigkeitsstrategie zu verfolgen.
Bis spätestens 2045 muss der gesamte Gebäudebestand in Deutschland klimaneutral werden. Welche Handlungsfelder sehen Sie, um den CO2-Verbrauch von Immobilien zu reduzieren?
Besonders großes Potenzial steckt in den älteren Bestandsbauten. 80 Prozent der Gebäude, die wir in 2045 nutzen werden, sind faktisch schon gebaut. Gängige Maßnahmen sind die Beziehung von grünem Strom, Wassersparvorrichtungen und Abfallreduktion. Darüber hinaus kann der Eigentümer Investitionen in ein neues, nachhaltiges Wärmeversorgungssystem tätigen, Photovoltaikanlagen installieren und auf nachhaltige Kühlmittel in Klimaanlagen umsteigen. Einen besonderen Stellenwert hat jedoch die Erfassung von Verbrauchsdaten. Mittlerweile gibt es zahlreiche Anbieter, die bei der digitalen Datenverwaltung und -auswertung unterstützen. Herausfordernd ist in diesem Zusammenhang eher die Datenbeschaffung bei den Mietern, zu deren Verbrauchsdaten die Eigentümer in der Regel keinen Zugang haben. Aus diesem Grund gewinnen grüne Mietverträge und die Anbringung von Smart Metern immer mehr an Bedeutung.
Verbrauchsdaten sind also das A und O. Aber wie bewerten Asset Manager wie die HIH Invest diese Daten für ihre Klimaschutzziele?
Bei IREBS haben wir gemeinsam mit einem internationalen Konsortium den Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM) entwickelt, mit dem Investoren, Asset Manager und andere Stakeholder die CO2-Emissionen von Immobilienbeständen ermitteln und bewerten, inwieweit diese mit den Pariser Klimaschutzzielen in Einklang sind. Dabei werden die eigenen Verbräuche unterschiedlicher Energieträger und F-Gase auf Objektebene in Treibhausgase umgerechnet und klimaschutzkonformen Dekarbonisierungspfaden bis 2050 gegenübergestellt. Zudem legt das Tool offen, wann Immobilien wegen zu hoher CO2-Emissionen ihre Marktfähigkeit verlieren, also drohen, zum „Stranded Asset“ zu werden. Das Tool zeigt also, wann spätestens Investitionen in die Verbesserung der CO2-Bilanz notwendig sind.
Wie verträgt sich Klimaschutz mit sozialen Aspekte, allen voran der Frage nach der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum?
Die Immobilienbranche muss ihren Beitrag in Bezug auf reduzierte CO2-Verbräuche leisten, das haben die Unternehmen erkannt und ihre Geschäftsstrategien sowie das Risikomanagement entsprechend angepasst. Aber den Marktteilnehmern ist auch klar, dass die soziale Komponente nicht außer Acht gelassen werden darf: Spezifisch im Wohnbereich muss beachtet werden, dass die ohnehin schon hohen Mieten nicht weiter nach oben getrieben werden. Ökologische Ziele dürfen nicht zulasten der Leistbarkeit der vermieteten Wohnungsbestände erfolgen. Hier ist die Politik gefragt, Anreize zu schaffen, um das Mieter-Vermieter-Dilemma abzuschwächen, welches durch die moderate deutsche Eigentumsquote besonders schwer wiegt. Zur sozialen Frage gehören aber auch Mobilitätskonzepte und Stadtentwicklung, wo die Immobilienbranche aktiv mit Kommunen zusammenarbeitet, um beispielsweise das Stadt-Land-Gefälle abzudämpfen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bienert.
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