Börsen-Zeitung, 11. Dezember 2019 – Geografisch liegt Japan auf der anderen Seite der Erdkugel. Wirtschaftlich und demografisch betrachtet, ist Nippon der Bundesrepublik allerdings sehr nahe: Bei einem Vergleich der beiden Volkswirtschaften hinsichtlich Wachstum, Inflation und Zinsen nimmt Japan viele Entwicklungen vorweg, die in den nächsten Jahren auch auf Deutschland zukommen. Wir erwarten, dass sich Deutschland in der kommenden Dekade den japanischen Rahmenbedingungen weiter annähert. Dies bringt für institutionelle Investoren und deren Anlagepolitik und -strategie signifikante Auswirkungen mit. Japanische Pensionskassen sind bereits heute sehr viel stärker in Real Assets investiert als ihre deutschen Pendants.
Die ökonomische Entwicklung Japans ist seit rund drei Jahrzehnten geprägt von einem niedrigen BIP-Wachstum, geringen bis negativen Realzinsen sowie niedrigen Inflationsraten. Die zentralen Gründe für diese Entwicklung sind in den demografischen Kennzahlen des Inselstaates zu finden und manifestieren sich in der fortgeschrittenen Alterung der Gesellschaft bei gleichzeitig niedrigen Geburtenraten und geringer Zuwanderung. Mit einem Durchschnittsalter von über 46 Jahren hat Japan weltweit die älteste Bevölkerung. Japan weist in vielerlei Hinsicht Entwicklungen auf, die in Deutschland demografisch zeitversetzt eingetreten sind und die Grundlage für die gegenwärtige Situation sind. So setzte der Babyboom nach dem Zweiten Weltkrieg in Japan deutlich früher ein als in Deutschland. Zwischen 1947 und 1949 kamen dort 8 Millionen Neugeborene auf die Welt. In Deutschland gab es erst ab 1955 einen starken Anstieg der Geburtenraten. Entsprechend zeitlich verzögert werden in Deutschland die geburtenstarken Jahrgänge ins Seniorenalter vorrücken. Lag der Altersquotient in Deutschland 2015 noch gleichauf mit dem globalen Durchschnitt, wird dieser hierzulande bis zum Jahr 2035 nahezu den japanischen Rekordwert erreicht haben.
Die demografische Entwicklung hat eine Vielzahl langfristiger Auswirkungen auf die Volkswirtschaften und Finanzmärkte. So besteht zwischen dem Anteil der über 65-Jährigen in der Bevölkerung und der langfristigen Inflationsrate ein starker negativer Zusammenhang. Parallel besteht auch von Seiten der Politik nur ein eingeschränktes Interesse an höheren Inflationsraten, um die Ersparnisse der älteren Bevölkerungsgruppe, die zugleich einen zunehmenden Anteil an den Wahlberechtigten repräsentiert, nicht zu entwerten.
Sinkende Realzinsen Die Demografie beeinflusst nicht nur die Inflation, durch ihre Wirkung ist sie auch für die Entwicklung der Realzinsen einer der zentralen Faktoren – und nicht nur, wie oft angenommen, die Geldpolitik der Notenbanken. Seit Ende der 1980er Jahre ist der Anteil der 40- bis 54- Jährigen an der Weltbevölkerung von rund 13 % auf aktuell 18 % gestiegen. Diese Alterskohorte ist zugleich die Bevölkerungsgruppe mit der höchsten Sparquote. Ein Blick auf die Entwicklung der Realzinsen in Deutschland und den USA zeigt, dass die Realzinsen seit Ende der 1980er Jahre auf das derzeitige Niedrigzinsniveau abgesunken sind. Der Anteil der ,,Sparkohorte‘‘ wird unserer Prognose nach bis 2035 sogar weiter zunehmen.
Weitere Auswirkungen der geschilderten demografischen Entwicklung sind insbesondere in den hoch entwickelten Volkswirtschaften eine nachlassende Produktivität bei einem stabilen bis rückläufigen Arbeitskräftepotenzial und damit ein Rückgang des Potenzialwachstums. Gleichzeitig geht diese Entwicklung im Rahmen der Transformation von der Sach- zur Wissensgesellschaft mit einer nachlassenden Kapitalnachfrage einher. Während die relative Knappheit des Faktors Arbeit also zunimmt, geht die des Kapitals zurück
Was ergibt sich aus dieser Prognose für den Immobilienmarkt? Und was bedeuten japanische Verhältnisse langfristig für die Investmentstrategien deutscher Pensionsfonds? Durch die steigende Lebenserwartung und den gleichzeitig steigenden Wohlstand der Gesellschaft nehmen die Ersparnisse global zu, und die Nachfrage nach knappen Vermögenswerten wie Immobilien steigt an. Da Staatsanleihen aufgrund der niedrigen Zinsen in den sicheren Häfen wie Deutschland keine Renditen mehr generieren, fallen diese zunehmend als Anlagemöglichkeit aus.
Bei weiterhin historisch hohen Risikoprämien von Immobilienanlagen gegenüber Anleihen wird sich der Anlagedruck hinsichtlich Real Assets jeglicher Couleur daher weiter verschärfen. Im Fokus sehen wir nicht nur Liegenschaften der stark nachgefragten Nutzungsarten Büro, Handel, Hotel, Logistik und Wohnen, sondern auch Nischenprodukte und Infrastrukturinvestitionen. Vor allem langlaufende Mietverträge mit bonitätsstarken Mietern helfen Investoren, langfristig stabile Immobilien-Cash-flows auf einem attraktiven Renditeniveau zu erzielen. In Japan werden Immobilien deutlich stärker in den Anlageportfolios gewichtet. Dort sind institutionelle Investoren heute bereits mit bis zu über 40 % in Real Assets investiert.
Anstieg der Immobilienquote Auch für Deutschland rechnen wir in den kommenden Jahren mit einem verstärkten Anstieg der Immobilienquote bei institutionellen Investoren, die derzeit noch im niedrigen zweistelligen Prozentbereich liegt. Bei den Renditeerwartungen prognostizieren wir ebenfalls eine Entwicklung in Richtung japanischer Verhältnisse. Dort haben Pensionsfonds – über alle Anlageklassen hinweg – inzwischen eine jährliche Renditewartung von teilweise nur noch rund 2 %.
Des Weiteren zeigt sich in Japan eine sehr hohe Urbanisierungsrate von über 90 %. In den großen Städten der Inselkette führt dies – auch topografisch bedingt – zu einer hohen Flächenknappheit und einem extrem hohen Preisniveau. Für Deutschland nehmen wir an, dass die wirtschaftsstarken Metropolregionen von der Urbanisierung zukünftig weiterhin überproportional profitieren werden. Institutionelle Investoren werden die heterogene Entwicklung zwischen den innovations- und wachstumsstarken Städten und Metropolregionen sowie den ländlichen Gebieten genau beobachten müssen. Gewinner werden zweifellos Metropolregionen sowie deren nachgefragte Speckgürtel und Regionen mit hohem Freizeitwert und ID: 2019238020 hoher touristischer Attraktivität sein.
Die europäischen Metropolen London, Stockholm, Kopenhagen, Zürich und München gehören unserer Einschätzung nach mit einem Bevölkerungswachstum von mehr als 14 % bis 2030 zu den demografisch stärksten Standorten in Europa. Insgesamt dürfte das Interesse der nationalen und internationalen Investoren an den begehrten Immobilienstandorten weiter zunehmen, was erwartungsgemäß für einen anhaltenden Druck auf die Immobilienrenditen sorgen dürfte. Mangels Anlagealternativen und mit Blick auf die niedrige Inflation dürften entsprechende Renditeerwartungen von den Investoren zunehmend akzeptiert werden. Auch wenn die japanischen Verhältnisse oft mit Stillstand konnotiert sind, wächst die Wirtschaft weiter, und es bestehen keine direkten negativen Folgen für die Immobilienmärkte. Real Assets werden in einem solchen Szenario für Investoren sogar weiter an Bedeutung gewinnen, und die hohe Nachfrage nach realen Vermögenswerten dürfte anhalten.